Making of Kompaktführer – im Interview mit Robert Hahn

Robert Hahn
Robert Hahn

Dienstag Nachmittag 16:00 Uhr. Der selbständige Industriebergsteiger und Autor Robert Hahn nutzt die langen Sommertage zur Außenrecherche. Eine neue Version seines Kompakt-Kletterführers ist in Planung und für gute Wegkommentare fährt der Autor nach wie vor am liebsten selbst an den Fels. Erklärtes Tagesziel ist die Überprüfung von Wegkombinationen der Olympiawand an der Hafersackkrone im Brandgebiet. Am besten geht das, indem Robert die besagte Route selbst klettert. Oben angekommen wird weiter gearbeitet – eine halbe Stunde wird das Gipfelbuch nach neuen Erstbegehungen durchsucht. Kletterführer schreiben sieht nach Arbeit aus.

Die Sächsische Schweiz ist das schönste Klettergebiet der Welt. Ich wollte es zugänglicher machen.

Wie bist du zum Klettern gekommen?
Durch meinen Bruder. Der war immer klettern und hat gesagt, ich soll mal mitkommen. Ich spielte aber in der damals höchst möglichen Spielklasse Fußball (Sachsenliga), hatte jedes Wochenende Punktspiel und somit überhaupt keine Zeit für Bergsport. Mit 18 habe ich dann aufgehört, bin einfach mal mit an die Felsen gegangen und es hat mir sofort gefallen.

Bist du in einem Kletterclub?
Ich bin Gründungsmitglied im KV Schwerelos.

Lieblingsgebiet und Lieblingstour?
Alle Sandsteingebiete. Außerhalb der Sächsischen Schweiz ist es Adersbach. Die schönste Klettertour des letzten Jahres erlebte ich im Wadi Rum (Jordanien), „Flight of Fancy“, stellvertretend für den gesamten Jordanien-Trip.

Lieblingskletterführer?
Kompaktführer (lacht). Unerreicht! Ich kann dir sagen. Im Ernst: Sehr gut hat mir „die Flue“ gefallen. Alle Topos mit Bleistift und Hand gezeichnet. Echt top und regelrecht künstlerisch.

Warum hast du den Kompaktkletterführer überhaupt geschrieben?
Es gab es keinen konkreten Auslöser. Es war ein Prozess. Ich hatte den Wunsch, mich auszudrücken in einer Art und Weise, die mir gut liegt. Klettern war das ganz offensichtlich nicht. Da gab es einige Leute, die wesentlich besser kletterten. Da mich Bücher schon immer interessiert haben und ich mich mit der Zeit gut im Gebirge auskannte, fiel irgendwann der Entschluss, einen Kletterführer zu schreiben. Mich interessierte die Möglichkeit, die traditionellen Werte mit denen ich groß geworden bin, weiterzugeben.

Gelingt das Transportieren von traditionellen Werten über deinen Kletterführer?
Unbedingt. Weil viele diesen Führer benutzen und die Kommentare helfen, sich überhaupt mit den Anforderungen der sächsischen Routen auseinander zu setzen. Mit dem Kompaktführer kann man so viel eher eine Liebe zum sächsischen klettern entwickeln, da man seltener unvorbereitet in Fallen tappt. Ich hoffe, dass mein Kompaktführer eine Art „helfende Hand“ ist.

Hast du bei anderen Kletterführern diese „helfende Hand“ vermisst?
Anfangs erlebte ich als Chemnitzer in der Sächsischen Schweiz schwierige Situationen, die auch hätten schlecht ausgehen können. Von Dresdnern hörte ich dann oft “Ja man weiß doch, was einen dort erwartet!”. Das war unbefriedigend. Wer außerhalb der Szene steht, hat keinen Zugang zu diesem exklusiven Wissen. Die Sächsische Schweiz ist das schönste Klettergebiet der Welt. Ich wollte es zugänglicher machen. Hier bei uns kann jeder klettern gehen, alle Geschmäcker können auf ihre Kosten kommen und gerade das ist einzigartig.

Was braucht man, um einen guten Kletterführer schreiben zu können?
Kletterer sind eine sehr heterogene Masse, sind unterschiedlich. Ich kann mich in verschiedenen Typen von Kletterern hineinversetzen. Und das Resultat sind die Kommentare, die ich den Wegbeschreibungen hinzufüge. Weiterhin ist ein guter Kontakt in die lokale Szene unabdingbar.

Was macht die meiste Arbeit?
Es gibt zwei gänzlich unterschiedliche Aufgabenbereiche. Als erstes muss ich Informationen generieren, z.B. zu Erstbegehungen, zu Umstufungen und vor allem zu Sternen, also den Empfehlungen. Das ist genau das, wass wir heute gemacht haben. Klettern gehen ist wichtig! Im Anschluss daran folgt im gleichen Maß Büroarbeit. Die gewonnenen Informationen müssen in 25.000 Datensätze eingearbeitet und verwaltet werden.

Was ist bei unserer heutigen Tour für deinen Kompaktführer rausgekommen?
Ein klassischer Fall: Es gibt etliche Beispiele von Wegteilen, die von der Mehrzahl der Begeher einfach nicht geklettert werden. Typisches Beispiel ist Lilienstein-Westkante oder eben wie heute der eigentlich originale Einstiegsriss zur Olympiawand. Dieser Einstiegsriss würde die Sternchen-Bewertung der Route nach unten ziehen. Das könnte ich ruhigen Gewissens nicht als besonders lohnende Route in meinem Kompaktführer empfehlen. Im neuen Führer wird die „Olympiawand“ ohne den Einstiegsriss beschrieben. Dieser wird als „Originaleinstieg“ separat aufgeführt. Er ist dreckig, feucht und komisch zu klettern – wer ihn trotzdem klettert, wird dies dann explizit im Gipfelbuch vermerken. Genau solche Entscheidung kann ich nicht vom Schreibtisch aus fällen. Dazu muss ich raus.

Wo siehst du die Zukunft des sächsischen Kletterns?
Das sächsische Klettern muss nirgends „hingehen“. In der Weltspitze spielen wir eh keine Rolle. Das Besondere bei uns ist allerdings die enorme Vielfalt… klasssiche Routen, Sportklettern, Risse, Wandkletterei, einfachste „Laufen“, schwierigstes Gelände, Quacken, 90m-Türme… einfach alle Spielarten des Kletterns. Diese Vielfalt ist der entscheidende Unterschied zu allen anderen Klettergebieten. Rentner, Eltern mit Kindern, Abenteuerlustige – für jeden gibt es Möglichkeiten.

Hast du den Wunsch, dass alles so bleibt wie es ist?
Nein. Zur Zeit ist es nicht wirklich gut. Für meinen Geschmack ist viel zu viel Gezänk in der lokalen Szene. Ich würde mir wünschen, dass die Klettergemeinde ein mehr an Miteinander anstrebt, unterschiedliche Ansätze respektiert. Die Sächsische Schweiz bietet mit der angesprochenen Vielfalt an Möglichkeiten für alle genug Raum. Wir brauchen kein gut und böse.

Und sonst?
Ähm. Grüße an die Omi?

Das Gespräch führte Uwe Daniel