
In mühevoller Handarbeit stellt Jan Obročník in seiner kleinen Werkstatt UFOs, Risshandschuhe und Knöchelschoner her. Das UFO stellt eine Weiterentwicklung der traditionellen Knotenschlinge dar und hat in den vergangenen Jahren für einigen Wirbel in der sächsischen Kletterszene gesorgt. Mittlerweile ist etwas Gras über die Sache gewachsen; UFOs sind offiziell erlaubt und wer aufmerksam durch das Gebirge läuft, sieht, dass sich die neuen Sicherungsmittel einer gewissen Beliebtheit erfreuen.
Im Interview mit Jan Obročník – dem Hersteller der UFOs.
„Ob mit oder ohne UFOs. Klettern geschieht im Kopf. Die dabei verwendete Ausrüstung ist nebensächlich.“ (Jan Obročník)
Wie ist die Geschichte der UFOs?
Im Jahr 2000 hatte Marek Žák die Idee zu einer Schlinge, bestehend aus einem Keil, der in eine Tasche gezogen wird. Marek hat für sich selbst einige angefertigt und sie beim Klettern verwendet. Weil es so gut funktioniert hat, registrierte er seine Erfindung mit einem Industriemuster. Mareks Suche nach einem Partner verlief aber zunächst erfolglos. Seinen Prototypen zu zertifizieren und in Serie zu produzieren erwies sich schwieriger als gedacht. So kam es dann auch zu dem Namen UFO: die Kletterer munkelten, dass es ein neues Sicherungsmittel gibt – aber wirklich gesehen hatte es bisher niemand.
Im Jahr 2011 begann Tomáš Sedláček, ein Bekannter von Marek Žák, schließlich mit der Produktion von UFOs. Heraus kam ein UFO, bestehend aus einem geklebten Gurtband und einer mit Klettersohle beklebten Tasche (UFORing). Der Vertrieb startete 2012 auf dem Bergsteigerfestival in Teplice.
Ich selbst bin im Jahr 2010 auf die UFOs aufmerksam geworden und wusste zunächst nicht viel darüber. Anfangs dachte ich gar nicht darüber nach UFOs in Serie herzustellen. Im Freundeskreis kletterten wir einfach Risse und haben uns UFOs für den Eigenbedarf gebaut. Mit der Zeit sammelte ich praktische Erfahrungen bei der Verwendung meiner UFOs und verbesserte Schritt für Schritt meinen Entwurf, der ohne Klebstoff und Gummi auskommt. Die größten Probleme bereiteten mir zunächst die Auswahl und Einstellung der Nähmaschine, da die zu vernähenden Schichten sehr stark und dick sind. Anfang 2012 war ich dann zufrieden mit meinem UFO-Entwurf und meiner Produktionstechnik. Ich besuchte Marek und zeigte ihm meine UFOs. Sie gefielen ihm und er sagte, ich solle weitermachen, wenn ich Lust dazu habe. In dieser Zeit kündigte ich meinen Job und entschied mich mir keinen anderen zu suchen, sondern meine UFOs professionell herzustellen. Im Juli 2012 wurden meine UFOs vom staatlichen Prüflabor zertifiziert und der offizielle Verkauf startete einen Monat später – wiederum beim Bergsteigerfestival in Teplice.
Wie produzierst du Deine UFOs? Ist alles Handarbeit?
Ich habe zu Hause in meiner Garage eine Werkstatt eingerichtet, in der ich allein arbeite. Bis auf die Trägerschlinge, die ich von SingingRock einkaufe, ist alles Handarbeit. Das Schwierigste ist das Nähen des Keils. Der „Faden“ ist eigentlich kein Faden, sondern eine dünne Schlinge. Das braucht sehr viel Kraft.

In Sachsen gab es im vergangenen Jahr eine teils emotionale Diskussion um das Thema UFO. Der sächsische Bergsteigerbund (SBB) ließ seine Mitglieder in der Hauptversammlung 2013 über ein Verbot bzw. die Erlaubnis von UFOs abstimmen. Hast du diese Diskussion verfolgt und falls ja, wie ist Deine Meinung dazu?
Ich verfolgte die Diskussion ab und zu in Internetforen. Ich habe mich dort nur selten und wenn, dann auch nur in technischen Belangen geäußert. Es ging hauptsächlich um sächsische Kletterethik. Da ich nicht aus Sachsen bin, kann ich dazu nichts sagen. Die Regeln in einem Gebiet werden von den Locals formuliert. Neue Dinge werden besprochen und wenn am Ende ein Beschluss herauskommt, muss man sich als Kletterer daran halten und diesen Beschluss akzeptieren. Jedes Gebiet hat eigene Regeln und es ist wichtig diese Regeln zu respektieren.
Was sagst du den Bergsportlern die sich gegen die Benutzung von UFOs ausgesprochen haben?
Auf dem Dresdner Bergsichtenfestival traf ich Herbert Richter und ich fragte ihn, ob er UFOs verwenden würde, wenn es die bereits im Jahr 1960 gegeben hätte. Und er sagte – „Ja, es ist immer besser, etwas mit zu haben als auf dem Boden zu liegen“1.
Meine Meinung ist folgende: Ein UFO ist ein Hilfsmittel, das uns das Leben in den Felsen angenehmer macht. Dabei verhält es sich so wie mit modernen Kletterschuhen, einer großen Auswahl an Schlingen, Klettergurten, Risshandschuhen und Sicherrungsgeräten. All das gab es früher auch nicht. Die Disskussion darüber, dass ich einen Weg aus den Sechzigern mit einem Klettergurt voll mit Schlingen klettern kann, aber nicht mit UFOs, finde ich verfehlt. Beispielsweise helfen Risshandschuhe beim Klettern viel mehr als UFOs. Mir ist aber klar, dass der Anspruch einer Begehung mit der damals üblichen Ausrüstung im Vergleich zur aktuell üblichen Ausrüstung höher ist. Ich würde einen neuen Begehungsstil vorschlagen der „so wie zu Erstbegehers Zeiten“ lautet. Also mit Brustsicherung, Seilschlingen und barfuß – so wie zur Zeit der Erstbegehung oder schlechter. Streitereien darüber, ob dies noch erlaubt ist und das nicht mehr sind nur gut für die Stammtische.
Gab es eine ähnliche Diskussion in Adersbach? Wie sind dort die Reaktionen auf Deine UFOs?
Ich bin ja aus dem Böhmischen Paradies. Aber in Tschechien war die Diskussion nicht so groß. Es gilt die Regel, dass man Sicherungsmittel verwenden darf, die den Felsen nicht beschädigen. Die Tschechische Naturschutzbehörde bestätigte mir, dass meine UFOs den Sandstein nicht beschädigen und die Verwendung somit erlaubt ist. Es gibt also keinen Grund für eine Diskussion (Anmerkung: vgl. die gleichlautende Stellungnahme des Nationalpark Sächsische Schweiz). In privaten Kreisen ist es aber natürlich trotzdem ein Thema. Wenn du in den Felsen einen berühmten Riss kletterst und aller Nase lang in einem UFO ruhst, musst du dich nicht damit rühmen. Wenn du auf den Ringschaft trittst oder dich in jeder Knotenschlinge ausruhst, ist es aber das gleiche – dann bist du die Tour einfach nicht geklettert und solltest das Gipfelbuch geschlossen lassen.
Die Abstimmung in der Hauptversammlung des SBB verlief für Deine UFOs positiv. Wie stehst du zu den UFORings mit der Gummi-Beschichtung? Es wurde in der selben Hauptversammlung abgelehnt.
Ich hatte die UFORings in der Hand, bin aber nie mit denen geklettert. Jede Lösung hat etwas positives und etwas negatives. Ich habe Leute getroffen, die beide Varianten verwenden, weil sie sagen, die eine funktioniert hier und die andere dort besser. Aber meine UFOs sind natürlich viel viel besser 🙂 Und das Verbot der UFORing Variante in Sachsen? Ich denke, dass viele deutsche Kletterer den Unterschied zwischen den beiden Varianten nicht sehen bzw. nicht verstehen, warum die eine Variante verboten ist und die andere erlaubt. Ich verstehe die SBB-Entscheidung als klares Zeichen für die Zukunft: „Weiches“ Schlingenmaterial ist ok – alles andere ist verboten.
In den Dresdner Ausrüstungsgeschäften gibt es ausschließlich die UFORings – viele sächsische Kletterer haben Deine UFOs noch nie gesehen. Warum gibt es Deine UFOs nicht in Dresden zu kaufen?
Meine UFOs gibt es auch nicht in den tschechischen Geschäften. Der Grund ist, dass ich sehr viel Zeit brauche um die UFOs herzustellen – viel länger als die geklebten UFORing. Außerdem ist mein kleiner Betrieb im Gegensatz zu größeren Ausrüstungsgeschäften umsatzsteuerbefreit. Bei einem Ausrüstungsgeschäft kommen also Mehrwertsteuer und Gewinnmarge hinzu, was den Preis für ein UFO fast verdoppeln würde. In meinem Onlineshop kann ich die UFOs für 25 € das Stück anbieten. Ich hoffe, dass es sich über Mundpropaganda herumspricht.
Wie wird Deiner Meinung nach das Sandsteinklettern in Adersbach und der sächsischen Schweiz durch UFOs beeinflusst?
Ich denke die Veränderungen durch UFOs sind nicht dramatisch. Es kommen mehr Leute durch Kletterhallen zum Klettern als durch UFOs. Die UFOs helfen den Anfängern und die Erfahrenen können mit UFOs ab und an Routen ausprobieren, die sie sich sonst nicht trauen würden. Bei Erstbegehungen kann es in seltenen Fällen Ringe sparen. Die Wege, in denen UFOs liegen, sind in der Regel bereits erschlossen. Es kann interessant werden, wenn in Sachsen die Massive geöffnet werden sollten – das ist aber, glaube ich, kein aktuelles Thema.
In Adersbach kommen durch Risshandschuhe und UFOs ein bischen mehr Leute. Aber Adersbach ist so speziell, dass es nie ein beliebtes Klettergebiet für den normalen Kletterer werden wird.
Siehst du bei Deinen UFOs ein technisches Entwicklungspotential? Was kommt als nächstes? Hast du den Kopf voller Ideen?
Für die UFOs habe ich einige Kleinigkeiten im Kopf. Für ein neuartiges Sandstein-Sicherungsmittel sehe ich persönlich keine sinnvolle Möglichkeit. Ich denke, dass es in Zukunft Sicherungsmittel geben wird, die auf Nanotechnologie beruhen – wie bei Geckos die an der Decke hängen können 🙂
Abgesehen von UFOs werde ich in Zukunft vielleicht auch Sandalen und Rucksäcke anbieten. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob meine Ideen diesbezüglich auch funktionieren werden.
Gibt es etwas, was Du schon immer mal sagen wolltest? Du kannst z.B. auf eine Frage antworten, die ich gar nicht gestellt habe.
Sandsteinklettern ist für mich nicht einfach nur Sport. Es ist ein Weg zwischen Meditation, Lebensstill und Fitnessraum. So ähnlich wie Yoga, aber mit dem Unterschied, dass man schneller ein Feedback bekommt. Wenn du eine Route kletterst, der du nicht gewachsen bist, kann das Feedback auch Krankenhaus lauten – aber alles hat seinen Grund. Es ist für jeden möglich diesen Lebensweg zu gehen. Ob mit oder ohne UFOs. Klettern geschieht im Kopf. Die dabei verwendete Ausrüstung ist nebensächlich. Dazu gibt es viele individuelle Meinungen und das ist gut so. Aber besser als die Diskussion über gutes und böses Klettern ist das Klettern selbst. Jeder soll klettern können, wie er es möchte – natürlich im Einklang mit den örtlichen Regeln.
Das Gespräch führte Uwe Daniel
Kurzinfo:
- Interview:
- Uwe Daniel
- Onlineshop:
- obrworks.cz
- ObrWorks:
- bei Facebook
- UFORing:
- Infos zum Konkurenzprodukt auf uforing.de (Im Sachsen-Sandstein mit Gummibeschichtung nicht erlaubt – gibt es auf Anfrage auch ohne Gummibeschichtung)
Anmerkung
Jan Obročník zitiert in einer Antwort Herbert Richter. Um Übersetzungsfehlern vorzubeugen wurde dieses Zitat überprüft und Herbert antwortete: „Ob meine Antwort so war, weiß ich nicht mehr, kann aber stimmen. Allerdings habe ich zugleich meine Bedenken geäußert, da alles, was der Mensch erfindet, missbraucht werden kann. Ich habe ihm auch gesagt, dass ich UFOs – wenn ich noch zu klettern imstande wäre – nicht mitnehmen würde, einfach weil mir dieses Gebammel am Arsch zuwider wäre.“