Archiv der Kategorie: Elbsandstein

Das Projekt an der Johanniswacht

Wer in das Bielatal zum Klettern fährt und auf dem Parkplatz der Ottomühle parkt, ist bereits an der ersten größeren Gipfelgruppe rund um die Johanniswacht vorbeigefahren. Diese Gipfelgruppe wurde für ein Projekt ausgewählt, in dessem Rahmen leichte und mittelschwere Kletterwege gezielt mit nachträglichen Ringen versehen werden sollen. Das Projekt entstand in Reaktion auf eine im Jahr 2013 durchgeführte Umfrage unter SBB-Mitgliedern. Die Ergebnisse der Umfrage spiegelt nach Lesart des SBB-Vorstandes den Wunsch nach besser gesicherten Wegen im mittleren Schwierigkeitsbereich wider. Um dieser Nachfrage zu begegnen sollen an einem klar abgegrenzten Felsbereich Kletterwege attraktiver gestaltet werden unter anderem – und vor allem – mit einer besseren Sicherungssituation durch nachträgliche Ringe. Inzwischen wurde eine Projektgruppe damit betraut einen Entwurf für die Johanniswacht auszuarbeiten. Der Leiter dieser Projektgruppe ist Matthias Werner.

Matthias Werner stammt aus dem erzgebirgischen Schmiedeberg, wo seine Eltern einen Kletterclub gründeten. Mit vier Jahren bestieg er mit dem Polenztalwächter seinen ersten Gipfel der sächsischen Schweiz. Seitdem nimmt der Bergsport in seinem Leben einen hohen Stellenwert ein. Beruflich treibt er sich in einem gut sortierten Klettergeschäft in Dresden rum und in seiner Freizeit ist er in diversen Arbeitsgruppen (AG) des SBB aktiv.

Ich treffe Matthias nach Ladenschluss in seinem Geschäft auf der Zwinglistraße, um über die Arbeit der Projektgruppe (PG) zu sprechen.

Matthias Werner (Vieli) in seinem Geschäft auf der Zwinglistraße

Uwe: Warum engagierst du Dich in der PG Johanniswacht?

Matthias: Ich bin der Meinung, dass es eine große Diskrepanz gibt zwischen dem, was die Leute klettern möchten und dem, was sie vorfinden. Daran möchte ich etwas ändern.

Uwe: Warum wurde die Johanniswacht ausgewählt?

Matthias: Anfangs standen auch andere Gipfelgruppen auf unserem Zettel. Es gab bei dieser Entscheidung viele Punkte, die wir beachten mussten. Von Wanderfalken angefangen bis hin zur Felsqualität, den vorhandenen Wegen und deren Schwierigkeiten. Wichtig war auch, dass die Gipfelgruppe kletterhistorisch eher unbedeutend ist. Im Sommer 2015 entschieden wir uns für die Johanniswacht.

Uwe: Wie seid ihr an der Johanniswacht vorgegangen?

Matthias: Wir sind eine handvoll Leute in der Projektgruppe und wir waren sicherlich zwanzig Mal vor Ort. Ansatz war es, vor allem selten bekletterte Wege zu neuem Leben zu erwecken. Für jeden Weg im mittleren Schwierigkeitsbereich haben wir die Absicherung, die Felsqualität und die Begehungszahlen ausgewertet. Für die selten gekletterten Wege haben wir geprüft, ob nachträgliche Ringe sinnvoll sind. Einen jeden dieser geplanten Ringe sprachen wir dann, sofern noch möglich, mit den Erstbegehern ab.

Uwe: Welche Veränderungen sieht euer Konzept für die Johanniswacht vor?

Matthias: Da sind natürlich zunächst die Veränderungen durch die nachträglichen Ringe zu nennen. Die Kletterwege werden dadurch sicherer und – so die Hoffung – auch attraktiver. Unser Ansinnen ist es für sächsische Verhältnisse relativ gut gesicherte Wege zu schaffen. Dort gibt es dann eine größere Anzahl von leichten Wegen, die nicht gleich tödlich sind, wenn man mal einen Fehler machen sollte.

Uwe: In den vergangenen Jahren wurden ein paar neue Gipfel freigegeben, an denen modern eingerichtete Kletterwege entstanden sind. So z.B. an der hinteren Abendwand am Pfaffenstein. Braucht es die Projektgruppe, wenn solche Angebote bereits im Gebirge existieren?

Matthias: Die neuen Gipfel standen gar nicht auf unserem Zettel. Sie sind eine Bereicherung, aber so groß ist das Potential nun auch nicht.

Uwe: Lassen sich die Projektziele nicht auch in einem Übungsgebiet erreichen?

Matthias: Das haben wir versucht, aber die Ausweitung der Übungsgebiete ist derzeit aus Naturschutzgründen nicht möglich. Das bedauern wir, da es als Einstieg in das sächsische Felsklettern gut zu unserem Projekt passen würde.

Uwe: Wie stehst du dazu den Charakter eines Kletterweges zu verändern?

Matthias: Es ist sein „Kunstwerk“. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich die Felsqualität verschlechtert und es gibt noch einige andere Aspekte, die es meiner Meinung nach rechtfertigen, über eine Veränderung eines Kletterweges nachzudenken (Baustelle, RP-Gedanke,…). Viele Wege sind so wie sie sind, weil es zur Zeit der Erstbegehung schlicht keine Ringe gab oder weil es der EB nicht anders kannte. Es ging dem EB auch nicht vordergründig darum, eine heroische Tat zu hinterlassen und viele EB von damals würden ihre Wege heute anders absichern.

Uwe: Wie würde es dir gehen, wenn Deine eigenen Erstbegehungen verändert werden sollten?

Matthias: Es kommt natürlich darauf an, was verändert werden soll. Wenn es z.B. darum geht, eine Ringposition so zu verändern, dass der Kletterer den Ring besser einhängen kann, dann habe ich kein Problem damit.

Uwe: Wenn jemand meint, dass eine Deiner Erstbegehungen zu langweilig sei und der erste Ring raus muss?

Matthias: Dann wäre ich natürlich nicht dafür. Um solche Unstimmigkeiten in unserem Projekt auszuräumen, haben wir alle noch erreichbaren Erstbegeher befragt. Überwiegend stimmen alle mit unseren Vorschlägen überein.

Uwe: Warum braucht es die Projektgruppe wenn es doch seit Jahren eine Arbeitsgruppe für nachträgliche Ringe gibt?

Matthias: Ich bin selbst Mitglied der AGnR und kenne die internen Abläufe. Im Unterschied zur AGnR suchten wir an der Johanniswacht gezielt nach Wegen, die wir nachrüsten wollen. Das ist natürlich ganz anders, als auf einen nR-Antrag zu reagieren. Im vergangenen Jahr wurden von der AGnR nur drei nachträgliche Ringe in mittelschweren Kletterwegen genehmigt. Das ist gemessen an dem, was die Umfrage an Bedarf ermittelt hat sehr wenig. Der Vorstand des SBB möchte der Nachfrage nach gut gesicherten Wegen in mittleren Schwierigkeitsbereich nachgeben und das nicht nur tropfenweise, sondern als Zeichen. Auch deswegen gibt es unsere Projektgruppe.

Uwe: Welchen Einfluss haben die anderen SBB-Arbeitsgruppen auf euer Projekt?

Matthias: Alle AGs des SBB sind direkt dem Vorstand unterstellt. Es gibt keine weitere Hierarchien im Verein. Wir stehen also mit unserer Projektgruppe auf der selben Ebene wie die anderen AGs. Natürlich stehen wir trotzdem in Kontakt und unser Konzept wird und wurde auch in anderen AGs diskutiert. Im Detail wurden wir u.a. dafür kritisiert, dass wir auch Wege in unser Konzept aufgenommen haben, die nicht unseren eigenen Kriterien entsprachen. Beispielsweise haben wir Wege mit mehr als einer Begehung pro Jahr aufgenommen. Dies ergab sich durch unsere Arbeit vor Ort. Es war mein persönliches Anliegen solche einzelnen Wege, die nicht exakt dem Projektrahmen entsprechen, trotzdem mit aufzunehmen. Es wäre meiner Meinung nach gut für das Projektziel gewesen. Die Kommission für Ethik und Regeln hat uns dann ganz klare Kriterien vorgegeben. Nach diesen Kriterien haben wir unser Konzept überarbeitet und aus 85 wurden 55 Vorschläge für nachträgliche Ringe.

Uwe: Anfangs hieß die Projektgruppe noch „Pilotprojekt“. Warum wird dieser Name inzwischen vermieden?

Matthias: Wir haben erst hinterher festgestellt, dass der Name „Pilotprojekt“ impliziert, dass weitere Projekte folgen sollen. So ist es aber nicht angelegt. Der Vorstand sieht das als einmaliges Projekt. Meine persönliche Meinung ist, dass es noch ein Paar mehr geben sollte. Wichtig ist, dass die historische Bedeutung des Gebirges gewahrt bleibt. Wir wollen kein Raster über die gesamte Sächsische Schweiz legen.

Es ist auch nicht so, dass wir ein Sportklettergebiet erschaffen. Ich will nicht sagen, dass es ein marginales Nachrüsten ist, aber die Wege würden im Schnitt 1,2 zusätzliche Ringe bekommen. Die Auswirkungen bei einer durchschnittlichen Weglänge von 25 Metern sind somit nicht sehr groß. Das Abenteuertum soll bestehen bleiben und das wird es auch.

Uwe: Welches Feedback erreichte dich bisher?

Matthias: Mit der Veröffentlichung des ersten Konzeptes haben wir gleichzeitig um Feedback gebeten. Es hat genau 100 Zuschriften gegeben. Davon haben sich 27 klar gegen das Projekt ausgesprochen, der Rest ziemlich eindeutig dafür. Aber es waren eben auch nur 100 Zuschriften.

Es gibt aber auch Kritiker, die das Projekt vollständig ablehnen. Dabei werden die demokratischen Verhältnisse verkannt oder nicht akzeptiert. Der Wunsch nach besser gesicherten Wegen ist aber mit der Umfrage deutlich zutage getreten. Die Kritiker relativieren auch nicht – Das Klettern ist keine Freizeit mehr, sondern Fanatismus. Es geht bei jedem hinterletzten Weg um die Wahrung der Tradition und das nervt mich.

Uwe: Was siehst du für Alternativen zu der Projektgruppe?

Matthias: Mein persönlicher Apell ist, dass diejenigen, die gern mehr gut gesicherte Wege klettern möchten, auch mitarbeiten. Dazu gibt es diverse Möglichkeiten wie die AGnR oder die PG Dornröschenschlaf. Auch die Meinung von Kletterern im leichten und mittleren Schwierigkeitsbereich ist wichtig in diesen Arbeitsgruppen.

Uwe: Was wünschst du dir für das Projekt?

Matthias: Ich wünsche mir, dass die von uns nachgerüsteten Wege mehr Begehungszahlen bekommen. Ich hoffe, dass es vielen Leuten gefällt und dass das Projekt angenommen wird.

Uwe: Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Matthias: Der Vorstand wird das Konzept in die Abstimmung an alle SBB Mitglieder geben. Ich hoffe, dass sich viele Mitglieder über unser Konzept informieren und dann auch darüber abstimmen. Wenn das Konzept von den Mitgliedern angenommen wird, werden wir es entsprechend umsetzen. Dann ist das ein demokratischer Prozess und das Ergebnis wird akzeptiert.

Uwe: Vielen Dank für das Gespräch

 

 

„Lammriss“ an der Lokomotive

Sebastian Gantz klettert den Lammriss (Variante Lammi) an der Lokomotive

Lammriss VI: 17.09.1905 O.Perry-Smith – in der Südostwand von rechts auf kleine Platte. Wand und Riss zu Absatz. Links Kante (Ring) zum Gipfel (Variante „Lammi“).

Kurzinfo:

Gipfel:
Lokomotive Esse
Gebiet:
Rathen
Route:
Lammriss mit Variante (Lammi)
Grad:
VI
Kletterer:
Sebastian Gantz

„Lohn der Angst“ am Jäckelfels

Alešák Procházka klettert "Lohn der Angst" am Jäckelfels
Alešák Procházka klettert „Lohn der Angst“ am Jäckelfels

Der Jäckelfels am Pfaffenstein lockt den versierten Kletterer mit einer der beeindruckendsten Reibungskanten im gesamten Elbsandsteingebirge. Der Wegname „Lohn der Angst“ belegt die Aspiranten oft mit einer berechtigten Beklemmung. In der sächsischen Schwierigkeit IXc verlangt sie dem Begeher ein hohes Maß an Reibungstechnik und einen Schlüsselzug weit weg vom letzten Ring ab. Dies ist anscheinend auch der Grund, warum die fotogene Kante erst um die dreißig Begehungen hat.

Lohn der Angst IXc: 31.08.1971 Bernd Arnold – die scharfe Westkante (4 Ringe) zum Gipfel.

Eine lohnende Alternative befindet sich wenige huntert Meter um die Ecke an der Königsspitze. Dort kann im Grad VIIIa die „Schwarze Kante“ begangen werden. Die Absicherung ist aber ebenfalls nur mit „ausreichend“ zu bezeichnen. Etwas besser gesichert ist die „Lustkante“ am Pfaffenhütchen (VIIIa).

Kurzinfo:

Gipfel:
Jäckelfels
Gebiet:
Gebiet der Steine
Route:
Lohn der Angst
Grad:
IXc
Kletterer:
Alešák Procházka

„Moderne Zeiten“ am Bloßstock

Tino Tanneberger klettert in "Moderne Zeiten" am Bloßstock
Tino Tanneberger klettert in „Moderne Zeiten“ am Bloßstock

Moderne Zeiten VIIIc: 10.09.2015 Tino Tanneberger – beliebig zur 3. Abseilöse des Wenzelweges. Rechts des markanten Kamins anfangs überhängende Wand (7 Ringe) zum Gipfel. Zwischen dem 2. und 3. Ring wird der Verlauf der „Ostwand“ gekreuzt.

Tino TannebergerTino meint: Die beeindruckende Abseile des Bloßstocks gefällt mir immer wieder gut, doch diesmal ist etwas anders. Bisher hatte ich immer die Routen links der Abseilrichtung angeschaut. Als ich diesmal meinen Blick nach rechts schweifen lasse entdecke ich – nichts. Nur etwa 10m entfernt zieht die „Direkte Südwand“ in gerader Linie nach oben. Schon hat mich das Erstbegehungsfieber gepackt. Ein paar Wochen später, nach vorherigem Klettern der Nachbarrouten und der Installation der ersten beiden Ringe ist es soweit. Orkanartig zieht der Wind durch die Kreuzturmscharte. Teilweise hängen die Seile fast waagerecht in der Luft und erschweren so die Erstbegehungsarbeit und Verständigung. Nach dem Schlagen von weiteren fünf Ringen sind die „Modernen Zeiten“ vollendet. Eine großzügige freie Linie an einem der bedeutendsten Gipfel der Sächsischen Schweiz. Der Wegname soll ein wenig meine Vorstellungen aktueller Erstbegehungen widerspiegeln. In erster Linie sollten Sicherungen so platziert werden, dass die Gefahr von schweren Verletzungen ausgeschlossen wird. Dabei sind die sächsischen Kletterregeln einzuhalten und, wenn möglich (der Tradition folgend) die Ringabstände groß gehalten werden. Außerdem geht es mir darum, dass neue Wege so attraktiv sind, dass sie wiederholt werden. Das hat schon einmal funktioniert, denn bei meiner Rotpunktbegehung dieses Jahr sah ich, dass der Weg schon ein paar mal geklettert wurde.

Kurzinfo:

Gipfel:
Bloßstock
Gebiet:
Affensteine
Route:
Moderne Zeiten
Grad:
VIIIb RP VIIIc
Kletterer:
Tino Tanneberger

„Rengerkante“ an der Brosinnadel

Manuel Hasterok klettert die "Rengerkante" an der Brosinnadel
Manuel Hasterok klettert die „Rengerkante“ an der Brosinnadel

Rengerweg VIIb: 13.06.1920 E. Renger – Den Alten Weg bis in die Einschartung. Auf Höhe der Einschartung links queren zu nachträglichem Ring. Westkante zum Gipfel.

Manuel HasterokManuel meint: Die Rengerkante verspricht schon vom Namen her etwas Abenteuer, suggerierte mir aber auch einen qualitativ hochwertigen Weg, was die Sternchenbewertung im Kletterführer noch untermalte. Um einen besseren Eindruck von den Gegebenheiten von 1920 zu bekommen, entschied ich mich für eine Barfußbegehung. Das raue Gestein und die etwas größeren, runden Tritte eigneten sich auch bestens dafür. Der Abzweig vom AW fängt recht harmlos mit einem gängigen Quergang an, bevor ich dann an der Kante dem ultimativem Tiefblick ausgesetzt war und mich glücklich schätzen konnte, dass dort ja schon einen Ring installiert wurde. Nachdem ich mich mit der Ausgesetztheit arrangiert hatte, gelangen auch die restlichen Klettermeter gut und wir konnten uns noch schön in der warmen Frühlingsabendsonne auf dem Gipfel entspannen.

Kurzinfo:

Gipfel:
Brosinnadel
Gebiet:
Affensteine
Route:
Rengerkante
Grad:
VIIb
Kletterer:
Manuel Hasterok

Tom Ehrig – Vorstand für Bergsteigen im Sächsischen Bergsteigerbund

Tom ist Jahrgang 1988 und studiert an der TU Dresden Maschinenbau. Seit 1996 ist er Mitglied im Sächsischen Bergsteigerbund (SBB). Im Alter von 3 Jahren bestieg er mit seinen Eltern den Steinlochturm in Schmilka als seinen ersten Gipfel. Der betont sächsische Kletterklub „Sächs’sche Maunt’nverein Freiberg“ ist ob seiner Mitgliedschaft glücklich, und fragt man Tom nach einem besonderen Glücksgefühl bei einer Tour im heimischen Sandstein, beginnt er von seiner Begehung der Müllersteinkante im Jahr 2014 zu berichten. Im Mai desselben Jahres wurde Tom Ehrig zum Vorstand für Bergsteigen gewählt. Drei Monate zuvor hatte der SBB zu einem Zukunftskongress eingeladen und dort die Ergebnisse der 2013 durchgeführten Umfrage vorgestellt und diskutiert. Kennt man Tom persönlich, weiß man, dass er sowohl große klassische Wege klettert als auch die sportliche Herausforderung in schweren Wegen sucht. Seine erste Aufgabe war es, auf die bereits ausgewertete Umfrage von 2013 zu reagieren. Dies geschah, indem Tom zusammen mit den anderen Vorständen des SBB ein Konzept zur Bergsportentwicklung erarbeitete. Wie bei den zurückliegenden Diskussionen über Topropes und UFOs wird hitzig über die Umfrage und das Konzept zur Bergsportentwicklung diskutiert. Ich treffe Tom auf dem Balkon seiner WG in der Dresdner Neustadt zum Interview.

Tom Ehrig hat Grund zur Freude, da er soeben eine vertrauenswürdige Abseilstelle auf einem Sandsteinturm im Jordanischen Wadi Rum gefunden hat. (Foto: Tom Ehrig)
Tom Ehrig hat Grund zur Freude, da er soeben eine vertrauenswürdige Abseilstelle auf einem Sandsteinturm im Jordanischen Wadi Rum gefunden hat. (Foto: Tom Ehrig)

Was bedeutet die im Konzept aufgeführte Verbesserung der Absicherungssituation nach Augenmaß?

Letztes Jahr bin ich die „Plattige Wand“ am Kl. Falknerturm geklettert. Eine VIIb mit traumhafter Wandkletterei an festen Eisenplatten. Aber da im zweiten Teil der Plattenwand keine Schlinge liegt, schlägt man, wenn einem oben die Kräfte verlassen, aus 15m wieder im Boden ein. Und im Gipfelbuch war keine einzige Begehung zu finden. Ein nachträglicher Ring und es würde eine Sternchenroute entstehen, die auch geklettert wird.

Anderes Beispiel: Letztens war ich an der Rohnspitze und wollte „Über die Dolchspitze“ klettern. Ich habe in der unteren Hangel nach wenigen Metern Angst bekommen und mit viel Kraft eine Schlinge in den Riss gespatelt. Anschließend bin ich auf letzter Elle wieder abgeklettert. Eine Freundin fragte mich daraufhin, ob ich mir jetzt nicht einen nachträglichen Ring an dieser Stelle wünschte und ich sagte nein. Natürlich nicht. Jeder, der diesen Weg klettern möchte weiß, worauf er sich einlässt. Ein Bilderbuch-Klassiker mit unbedingtem Bestandsschutz! Als ich mich dann etwas erholt hatte, gelang mir die Begehung noch. Das verstehe ich unter Augenmaß.

Thomas Hering klettert im "Dolch" an der Rohnspitze
Thomas Hering klettert im „Dolch“ an der Rohnspitze

Direkt gegenüber gibt es an der Zitadelle die Route „Domino, die als eine der wenigen Sportkletterrouten im Gebirge gilt (Ein Ring aller 4-5 Meter). Was ist mit den Kletterern, denen auch das Domino noch zu ungesichert ist und die sich dort doppelt so viele Ringe wünschen?

Franz Liebschner klettert in "Domino" an der Zitadelle zwischen dem 5. und 6. Ring
Franz Liebschner klettert in „Domino“ an der Zitadelle zwischen dem 5. und 6. Ring

Ich denke, dass nur wenige die Zukunft des sächsischen Kletterns darin sehen, die Absicherung sogar in den bereits als „Sportkletterrouten“ geltenden Wegen noch zu verbessern. Und ganz ehrlich: Über so eine krasse Übersicherung von Routen habe ich bisher noch nicht einmal nachgedacht. Aber es zeigt sehr schön, wie weit die Vorstellungen auseinander gehen. Das habe ich auch bei den Reaktionen auf das Konzept zur Bergsportentwicklung bemerkt. Den einen ist es zu traditionell und die anderen sehen darin den „Untergang des sächsischen Bergsteigens“. Das ist, denke ich, ein gutes Zeichen, dass es in Wirklichkeit weder das eine noch das andere ist.

Was tut der SBB, um dem Ruf nach besserer Absicherung nachzukommen?

Wir als Vorstand versuchen realistische Ideen zu entwickeln, bei denen wir Chancen sehen, diese im Rahmen unserer Möglichkeiten umzusetzen. Hervorzuheben sind hier z.B. das Pilotprojekt und die Projektgruppe Dornröschenschlaf. Diese suchen nach selten gekletterten Routen, um diese mit nachträglichen Ringen oder anderen Maßnahmen attraktiver zu gestalten und wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Arbeitsgruppe für nachträgliche Ringe hat ihre Geschäftsordnung geändert und ist auf einem guten Weg, um in Zukunft effizienter zu arbeiten. Das sind nur ein paar Beispiele für viele weitere gute Ideen und Konzepte, die in den Arbeits- und Projektgruppen bearbeitet werden. Das sind alles kleine Schritte, die uns aber dem Ziel näher bringen.

Helfen diese Schritte einem Kletterer der sich fürchtet, sobald seine Füße auf Ringhöhe sind?

Der Wunsch nach einer besseren Absicherung hat ja die Ursache, dass man sich in diesen Routen unsicher fühlt. Eine bessere Absicherung kann man aber nicht nur durch mehr Ringe erreichen, sondern auch durch mehr Erfahrung und Können im Schlingen legen. Daher bin ich der Meinung, dass auch der Ausbau von Kursangeboten – Vorstiegskurse, Kurse zum Schlingen legen oder speziellen Klettertechniken – ein wichtiger Eckpfeiler zur Erhöhung der Sicherheit sind.

Besonders Routen im mittleren Grad sind oft schwierig abzusichern, da die Wände meist geneigt sind oder aller drei Meter einen großen Absatz, Bänder oder Schrofengelände haben. Dort müsste vor und nach jedem Absatz ein Ring stecken und der Kletterer würde sich trotzdem noch die Füße brechen.

Was spricht gegen einen großen Schritt in Richtung Sportklettern?

Ich denke, dass die Umfrage durch den SBB objektiv ausgewertet wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass der Erhalt der Tradition bei den Mitgliedern einen hohen Stellenwert einnimmt. Den Ruf nach besser gesicherten Routen, besonders in den mittleren Schwierigkeitsgraden, haben wir gehört und das Konzept zur Bergsportentwicklung hält dafür Antworten bereit.

Die aktuellen Rufe nach mehr modernen Einflüssen sollten in den Arbeitsgruppen und Versammlungen des SBB vorgetragen werden. Auch Nicht-SBB-Mitglieder können sich gern in den Arbeits- und Projektgruppen engagieren und somit aktiv die Zukunft des sächsischen Kletterns gestalten.

Im Lager der Sportkletterer wird der Tausch von bestimmten Klettergipfeln gegen neue Massive als eine mögliche Lösung diskutiert. An den Massiven könnten Sportkletterrouten eingerichtet werden und im Gegenzug bliebe das Klettern an den Gipfeln unberührt. Warum wird diese Variante im Konzept zur Bergsportentwicklung explizit ausgeschlossen?

Die Auswertung der Umfrage hat gezeigt, dass es unter den Kletterern keine Mehrheit für diese „Tauschgeschäfte“ gibt. Abgesehen davon wären diese mit der momentanen Gesetzeslage schlicht nicht möglich. Selbst wenn wir Kletterer uns auf einen Kompromissvorschlag – sprich den Tausch von bestimmten Gipfeln gegen einige Massivwände – einigen könnten, müssten wir immer noch den langen Weg durch alle Behörden antreten, um schlussendlich eine entsprechende Gesetzesänderung im Sächsischen Landtag anzustreben. Dafür braucht es einen sehr langen Atem und ich habe noch niemanden getroffen, der sich auch nur vorstellen könnte, sich dieser Herausforderung zu stellen. Und bei all diesen Überlegungen müssen wir auch stets bedenken, dass wir das deutschlandweit beinahe einmalige Privileg besitzen, überhaupt in einem Nationalpark klettern zu dürfen. Daher sollten derartig große Schritte und mögliche Konsequenzen gut überlegt sein. Aus diesen Gründen haben wir uns als Vorstand darauf verständigt, momentan keine Schritte in diese Richtung zu unternehmen.

Du sagst, dass die sich die Zukunft des Sächsischen Kletterns in den Arbeitsgruppen gestallten lässt. Sind diese Arbeitsgruppen gut besucht?

Jein. Bei Diskussionen hört man sehr oft nur die Extrempositionen. Entweder sehr traditionell oder sehr modern. Der „normale“ Gelegenheitskletterer, der ein paar Mal im Jahr im mittleren Schwierigkeitsbereich klettert, ist in den SBB Arbeitsgruppen kaum anzutreffen. Das ist sehr schade, da genau diese Gruppe die Mehrheit der sächsischen Kletterer darstellt. Und im Allgemeinen ist der Zuspruch für die Projektgruppen, wie z.B. die Projektgruppe Dornröschenschlaf, leider deutlich geringer, als ich gedacht hätte.

Das Gespräch führte Uwe Daniel

„Neue Nordverschneidung“ am Klimmerstein

Sebastian Brand klettert die "Neue Nordverschneidung" am Klimmerstein
Sebastian Brand klettert die „Neue Nordverschneidung“ am Klimmerstein

Neue Nordverschneidung: 16.04.1972 Bernd Arnold, G. Lamm, G. Fiesler – Links vom angelehnten Block in der Nordwand Wandstufe und seichten Riss zu Absatz. Feine überhängende Verschneidung (Ring) zu Band. Riss zum Gipfel.

marcus_elmo_smallSebastian Brand über die Neue Nordverschneidung: Ich nahm an, einen gängigen und gut gesicherten Weg vorzufinden. Doch da lag ich falsch! Ich hätte es wissen können, da es sich schließlich um einen 74er Meisterweg von Bernd Arnold handelt. Gleich in den ersten Metern geht es heftig zur Sache: Der Riss ist enger als gedacht und nur sporadisch kann ich eine Schlinge unterbringen, die keine zwingend benötigte Klemmstelle verbaut. Doch die markante Verschneidung weiter oben entschädigt und wartet mit technisch schöner Kletterei auf. Am Ende dieser Verschneidung muss ich dann nochmal kräftig schlucken: Krass, was hier für den Grad verlangt wird! Ich erreiche zufrieden den Gipfel und sehe im Gipfelbuch, dass der Weg noch keine hundert Mal begangen wurde. Ich habe in der Neuen Nordverschneidung erneut festgestellt: Meisterwege haben immer etwas Besonderes, sie heben sich von den meisten anderen Wegen ab und genau deswegen klettere ich sie so gerne!

Kurzinfo:

Gipfel:
Klimmerstein (17)
Gebiet:
Schmilka
Route:
Neue Nordverschneidung
Grad:
VIIIa
Kletterer:
Sebastian Brand

„Altersschwäche“ am Zwilling

Hermann Liebscher und Gefährten klettern die "Altersschwäche" an den Zwillingen
Hermann Liebscher und Gefährten klettern die „Altersschwäche“ an den Zwillingen

Altersschwäche: 02.11.1985 Uwe Horst u. Steffen Roßburg, Petra Hartmann, E. Ludwig, J. Lüttich, U. Lange, T. Viehrig, B. Schülke – Wie „TCA-Weg“ zu abschüssigem Band. Rechts queren und ausgiebig unterstützt Wand (Ring) zu Rissspur. Diese, später Riss zu großem Band. Wie „Neuer Talweg“ zum Gipfel.

marcus_elmo_smallHermann Liebscher über die Altersschwäche: Auf die ausgiebige Unterstützungsstelle folgt – wie für die Zwillinge typisch – eine sowohl abwechslungsreiche als auch anspruchsvolle Risskletterei. Um das grifflose Wandstück bis zur Rissspur zu überbrücken entschieden wir uns eine Menschenpyramide, bestehend aus sieben Kletterern zu bauen. Ich war dann in der dritten und obersten Etage und erreichte erst nach mehreren Fehlversuchen den Fingerklemmer im Riss. Ohne dem Können, der Erfahrung und dem Willen der Gefährten wäre ich Baustellen-Anfänger nicht mit den Fingerspitzen an den Rissanfang über dem ersten Ring gekommen.

Kurzinfo:

Gipfel:
Zwilling
Gebiet:
Gebiet der Steine
Route:
Altersschwäche
Grad:
IXa
Kletterer:
Hermann Liebscher

„SO-Verschneidung“ am Zwilling

Felix Friedrich klettert in der "SO-Verschneidung" am Zwilling
Felix Friedrich klettert in der „SO-Verschneidung“ am Zwilling

SO-Verschneidung: 22.05.1971 Bernd Arnold, G. Lamm, W. Nolte – 4 Meter links vom „Neuen Talweg“ Riss hinter Rippe (Ring) zu 2. Ring. Feine Verschneidung (3. Ring) bis unter Dach. Linkshaltend zu 4. Ring. Wand linkshaltend zu großem Band. Wie „Neuer Talweg“ zum Gipfel.

Felix FriedrichFelix Friedrich über die SO-Verschneidung: Voller Ehrfurcht stieg ich die Südostverschneidung im Jahr 2012 nach. Die Route ist anhaltend schwierig und abwechslungreich. Mein erster Eindruck im Nachstieg hat sich jetzt noch einmal im Vorstieg bestätigt: Ein sächsischer Erlebnisweg. Die gute Absicherung des Weges täuscht aber nicht darüber hinweg, dass man richtig zupacken muss: technisches Ausspreizen in der Verschneidung, Hand- und Faustrisse sowie anstrengendes Hangeln in der Crux sind obligatorisch. Purer Genuss!

Kurzinfo:

Gipfel:
Zwilling
Gebiet:
Gebiet der Steine – Pfaffenstein
Route:
Südost-Verschneidung
Grad:
VIIIb RP VIIIc
Kletterer:
Felix Friedrich