Wer in das Bielatal zum Klettern fährt und auf dem Parkplatz der Ottomühle parkt, ist bereits an der ersten größeren Gipfelgruppe rund um die Johanniswacht vorbeigefahren. Diese Gipfelgruppe wurde für ein Projekt ausgewählt, in dessem Rahmen leichte und mittelschwere Kletterwege gezielt mit nachträglichen Ringen versehen werden sollen. Das Projekt entstand in Reaktion auf eine im Jahr 2013 durchgeführte Umfrage unter SBB-Mitgliedern. Die Ergebnisse der Umfrage spiegelt nach Lesart des SBB-Vorstandes den Wunsch nach besser gesicherten Wegen im mittleren Schwierigkeitsbereich wider. Um dieser Nachfrage zu begegnen sollen an einem klar abgegrenzten Felsbereich Kletterwege attraktiver gestaltet werden unter anderem – und vor allem – mit einer besseren Sicherungssituation durch nachträgliche Ringe. Inzwischen wurde eine Projektgruppe damit betraut einen Entwurf für die Johanniswacht auszuarbeiten. Der Leiter dieser Projektgruppe ist Matthias Werner.
Matthias Werner stammt aus dem erzgebirgischen Schmiedeberg, wo seine Eltern einen Kletterclub gründeten. Mit vier Jahren bestieg er mit dem Polenztalwächter seinen ersten Gipfel der sächsischen Schweiz. Seitdem nimmt der Bergsport in seinem Leben einen hohen Stellenwert ein. Beruflich treibt er sich in einem gut sortierten Klettergeschäft in Dresden rum und in seiner Freizeit ist er in diversen Arbeitsgruppen (AG) des SBB aktiv.
Ich treffe Matthias nach Ladenschluss in seinem Geschäft auf der Zwinglistraße, um über die Arbeit der Projektgruppe (PG) zu sprechen.

Uwe: Warum engagierst du Dich in der PG Johanniswacht?
Matthias: Ich bin der Meinung, dass es eine große Diskrepanz gibt zwischen dem, was die Leute klettern möchten und dem, was sie vorfinden. Daran möchte ich etwas ändern.
Uwe: Warum wurde die Johanniswacht ausgewählt?
Matthias: Anfangs standen auch andere Gipfelgruppen auf unserem Zettel. Es gab bei dieser Entscheidung viele Punkte, die wir beachten mussten. Von Wanderfalken angefangen bis hin zur Felsqualität, den vorhandenen Wegen und deren Schwierigkeiten. Wichtig war auch, dass die Gipfelgruppe kletterhistorisch eher unbedeutend ist. Im Sommer 2015 entschieden wir uns für die Johanniswacht.
Uwe: Wie seid ihr an der Johanniswacht vorgegangen?
Matthias: Wir sind eine handvoll Leute in der Projektgruppe und wir waren sicherlich zwanzig Mal vor Ort. Ansatz war es, vor allem selten bekletterte Wege zu neuem Leben zu erwecken. Für jeden Weg im mittleren Schwierigkeitsbereich haben wir die Absicherung, die Felsqualität und die Begehungszahlen ausgewertet. Für die selten gekletterten Wege haben wir geprüft, ob nachträgliche Ringe sinnvoll sind. Einen jeden dieser geplanten Ringe sprachen wir dann, sofern noch möglich, mit den Erstbegehern ab.
Uwe: Welche Veränderungen sieht euer Konzept für die Johanniswacht vor?
Matthias: Da sind natürlich zunächst die Veränderungen durch die nachträglichen Ringe zu nennen. Die Kletterwege werden dadurch sicherer und – so die Hoffung – auch attraktiver. Unser Ansinnen ist es für sächsische Verhältnisse relativ gut gesicherte Wege zu schaffen. Dort gibt es dann eine größere Anzahl von leichten Wegen, die nicht gleich tödlich sind, wenn man mal einen Fehler machen sollte.
Uwe: In den vergangenen Jahren wurden ein paar neue Gipfel freigegeben, an denen modern eingerichtete Kletterwege entstanden sind. So z.B. an der hinteren Abendwand am Pfaffenstein. Braucht es die Projektgruppe, wenn solche Angebote bereits im Gebirge existieren?
Matthias: Die neuen Gipfel standen gar nicht auf unserem Zettel. Sie sind eine Bereicherung, aber so groß ist das Potential nun auch nicht.
Uwe: Lassen sich die Projektziele nicht auch in einem Übungsgebiet erreichen?
Matthias: Das haben wir versucht, aber die Ausweitung der Übungsgebiete ist derzeit aus Naturschutzgründen nicht möglich. Das bedauern wir, da es als Einstieg in das sächsische Felsklettern gut zu unserem Projekt passen würde.
Uwe: Wie stehst du dazu den Charakter eines Kletterweges zu verändern?
Matthias: Es ist sein „Kunstwerk“. Aber in den letzten Jahrzehnten hat sich die Felsqualität verschlechtert und es gibt noch einige andere Aspekte, die es meiner Meinung nach rechtfertigen, über eine Veränderung eines Kletterweges nachzudenken (Baustelle, RP-Gedanke,…). Viele Wege sind so wie sie sind, weil es zur Zeit der Erstbegehung schlicht keine Ringe gab oder weil es der EB nicht anders kannte. Es ging dem EB auch nicht vordergründig darum, eine heroische Tat zu hinterlassen und viele EB von damals würden ihre Wege heute anders absichern.
Uwe: Wie würde es dir gehen, wenn Deine eigenen Erstbegehungen verändert werden sollten?
Matthias: Es kommt natürlich darauf an, was verändert werden soll. Wenn es z.B. darum geht, eine Ringposition so zu verändern, dass der Kletterer den Ring besser einhängen kann, dann habe ich kein Problem damit.
Uwe: Wenn jemand meint, dass eine Deiner Erstbegehungen zu langweilig sei und der erste Ring raus muss?
Matthias: Dann wäre ich natürlich nicht dafür. Um solche Unstimmigkeiten in unserem Projekt auszuräumen, haben wir alle noch erreichbaren Erstbegeher befragt. Überwiegend stimmen alle mit unseren Vorschlägen überein.
Uwe: Warum braucht es die Projektgruppe wenn es doch seit Jahren eine Arbeitsgruppe für nachträgliche Ringe gibt?
Matthias: Ich bin selbst Mitglied der AGnR und kenne die internen Abläufe. Im Unterschied zur AGnR suchten wir an der Johanniswacht gezielt nach Wegen, die wir nachrüsten wollen. Das ist natürlich ganz anders, als auf einen nR-Antrag zu reagieren. Im vergangenen Jahr wurden von der AGnR nur drei nachträgliche Ringe in mittelschweren Kletterwegen genehmigt. Das ist gemessen an dem, was die Umfrage an Bedarf ermittelt hat sehr wenig. Der Vorstand des SBB möchte der Nachfrage nach gut gesicherten Wegen in mittleren Schwierigkeitsbereich nachgeben und das nicht nur tropfenweise, sondern als Zeichen. Auch deswegen gibt es unsere Projektgruppe.
Uwe: Welchen Einfluss haben die anderen SBB-Arbeitsgruppen auf euer Projekt?
Matthias: Alle AGs des SBB sind direkt dem Vorstand unterstellt. Es gibt keine weitere Hierarchien im Verein. Wir stehen also mit unserer Projektgruppe auf der selben Ebene wie die anderen AGs. Natürlich stehen wir trotzdem in Kontakt und unser Konzept wird und wurde auch in anderen AGs diskutiert. Im Detail wurden wir u.a. dafür kritisiert, dass wir auch Wege in unser Konzept aufgenommen haben, die nicht unseren eigenen Kriterien entsprachen. Beispielsweise haben wir Wege mit mehr als einer Begehung pro Jahr aufgenommen. Dies ergab sich durch unsere Arbeit vor Ort. Es war mein persönliches Anliegen solche einzelnen Wege, die nicht exakt dem Projektrahmen entsprechen, trotzdem mit aufzunehmen. Es wäre meiner Meinung nach gut für das Projektziel gewesen. Die Kommission für Ethik und Regeln hat uns dann ganz klare Kriterien vorgegeben. Nach diesen Kriterien haben wir unser Konzept überarbeitet und aus 85 wurden 55 Vorschläge für nachträgliche Ringe.
Uwe: Anfangs hieß die Projektgruppe noch „Pilotprojekt“. Warum wird dieser Name inzwischen vermieden?
Matthias: Wir haben erst hinterher festgestellt, dass der Name „Pilotprojekt“ impliziert, dass weitere Projekte folgen sollen. So ist es aber nicht angelegt. Der Vorstand sieht das als einmaliges Projekt. Meine persönliche Meinung ist, dass es noch ein Paar mehr geben sollte. Wichtig ist, dass die historische Bedeutung des Gebirges gewahrt bleibt. Wir wollen kein Raster über die gesamte Sächsische Schweiz legen.
Es ist auch nicht so, dass wir ein Sportklettergebiet erschaffen. Ich will nicht sagen, dass es ein marginales Nachrüsten ist, aber die Wege würden im Schnitt 1,2 zusätzliche Ringe bekommen. Die Auswirkungen bei einer durchschnittlichen Weglänge von 25 Metern sind somit nicht sehr groß. Das Abenteuertum soll bestehen bleiben und das wird es auch.
Uwe: Welches Feedback erreichte dich bisher?
Matthias: Mit der Veröffentlichung des ersten Konzeptes haben wir gleichzeitig um Feedback gebeten. Es hat genau 100 Zuschriften gegeben. Davon haben sich 27 klar gegen das Projekt ausgesprochen, der Rest ziemlich eindeutig dafür. Aber es waren eben auch nur 100 Zuschriften.
Es gibt aber auch Kritiker, die das Projekt vollständig ablehnen. Dabei werden die demokratischen Verhältnisse verkannt oder nicht akzeptiert. Der Wunsch nach besser gesicherten Wegen ist aber mit der Umfrage deutlich zutage getreten. Die Kritiker relativieren auch nicht – Das Klettern ist keine Freizeit mehr, sondern Fanatismus. Es geht bei jedem hinterletzten Weg um die Wahrung der Tradition und das nervt mich.
Uwe: Was siehst du für Alternativen zu der Projektgruppe?
Matthias: Mein persönlicher Apell ist, dass diejenigen, die gern mehr gut gesicherte Wege klettern möchten, auch mitarbeiten. Dazu gibt es diverse Möglichkeiten wie die AGnR oder die PG Dornröschenschlaf. Auch die Meinung von Kletterern im leichten und mittleren Schwierigkeitsbereich ist wichtig in diesen Arbeitsgruppen.
Uwe: Was wünschst du dir für das Projekt?
Matthias: Ich wünsche mir, dass die von uns nachgerüsteten Wege mehr Begehungszahlen bekommen. Ich hoffe, dass es vielen Leuten gefällt und dass das Projekt angenommen wird.
Uwe: Wie geht es mit dem Projekt weiter?
Matthias: Der Vorstand wird das Konzept in die Abstimmung an alle SBB Mitglieder geben. Ich hoffe, dass sich viele Mitglieder über unser Konzept informieren und dann auch darüber abstimmen. Wenn das Konzept von den Mitgliedern angenommen wird, werden wir es entsprechend umsetzen. Dann ist das ein demokratischer Prozess und das Ergebnis wird akzeptiert.
Uwe: Vielen Dank für das Gespräch