
Skitouren

Am 05.März gibt es im Bautzener Steinhaus meinen Vortrag „Cerro Torre – der unmögliche Berg“ zu sehen.
Der Vortrag findet im Rahmen der Geo.osT Veranstalltungsreihe „Unbekannt | Unmöglich | Unglaublich“ statt und am gleichen Abend gibt es einen weiteren Vortrag. Christiane Hupe und Gerald Krug berichten über eine (Kletter)Reise in den Iran.
Tom ist Jahrgang 1988 und studiert an der TU Dresden Maschinenbau. Seit 1996 ist er Mitglied im Sächsischen Bergsteigerbund (SBB). Im Alter von 3 Jahren bestieg er mit seinen Eltern den Steinlochturm in Schmilka als seinen ersten Gipfel. Der betont sächsische Kletterklub „Sächs’sche Maunt’nverein Freiberg“ ist ob seiner Mitgliedschaft glücklich, und fragt man Tom nach einem besonderen Glücksgefühl bei einer Tour im heimischen Sandstein, beginnt er von seiner Begehung der Müllersteinkante im Jahr 2014 zu berichten. Im Mai desselben Jahres wurde Tom Ehrig zum Vorstand für Bergsteigen gewählt. Drei Monate zuvor hatte der SBB zu einem Zukunftskongress eingeladen und dort die Ergebnisse der 2013 durchgeführten Umfrage vorgestellt und diskutiert. Kennt man Tom persönlich, weiß man, dass er sowohl große klassische Wege klettert als auch die sportliche Herausforderung in schweren Wegen sucht. Seine erste Aufgabe war es, auf die bereits ausgewertete Umfrage von 2013 zu reagieren. Dies geschah, indem Tom zusammen mit den anderen Vorständen des SBB ein Konzept zur Bergsportentwicklung erarbeitete. Wie bei den zurückliegenden Diskussionen über Topropes und UFOs wird hitzig über die Umfrage und das Konzept zur Bergsportentwicklung diskutiert. Ich treffe Tom auf dem Balkon seiner WG in der Dresdner Neustadt zum Interview.
Was bedeutet die im Konzept aufgeführte Verbesserung der Absicherungssituation nach Augenmaß?
Letztes Jahr bin ich die „Plattige Wand“ am Kl. Falknerturm geklettert. Eine VIIb mit traumhafter Wandkletterei an festen Eisenplatten. Aber da im zweiten Teil der Plattenwand keine Schlinge liegt, schlägt man, wenn einem oben die Kräfte verlassen, aus 15m wieder im Boden ein. Und im Gipfelbuch war keine einzige Begehung zu finden. Ein nachträglicher Ring und es würde eine Sternchenroute entstehen, die auch geklettert wird.
Anderes Beispiel: Letztens war ich an der Rohnspitze und wollte „Über die Dolchspitze“ klettern. Ich habe in der unteren Hangel nach wenigen Metern Angst bekommen und mit viel Kraft eine Schlinge in den Riss gespatelt. Anschließend bin ich auf letzter Elle wieder abgeklettert. Eine Freundin fragte mich daraufhin, ob ich mir jetzt nicht einen nachträglichen Ring an dieser Stelle wünschte und ich sagte nein. Natürlich nicht. Jeder, der diesen Weg klettern möchte weiß, worauf er sich einlässt. Ein Bilderbuch-Klassiker mit unbedingtem Bestandsschutz! Als ich mich dann etwas erholt hatte, gelang mir die Begehung noch. Das verstehe ich unter Augenmaß.
Direkt gegenüber gibt es an der Zitadelle die Route „Domino“, die als eine der wenigen Sportkletterrouten im Gebirge gilt (Ein Ring aller 4-5 Meter). Was ist mit den Kletterern, denen auch das Domino noch zu ungesichert ist und die sich dort doppelt so viele Ringe wünschen?
Ich denke, dass nur wenige die Zukunft des sächsischen Kletterns darin sehen, die Absicherung sogar in den bereits als „Sportkletterrouten“ geltenden Wegen noch zu verbessern. Und ganz ehrlich: Über so eine krasse Übersicherung von Routen habe ich bisher noch nicht einmal nachgedacht. Aber es zeigt sehr schön, wie weit die Vorstellungen auseinander gehen. Das habe ich auch bei den Reaktionen auf das Konzept zur Bergsportentwicklung bemerkt. Den einen ist es zu traditionell und die anderen sehen darin den „Untergang des sächsischen Bergsteigens“. Das ist, denke ich, ein gutes Zeichen, dass es in Wirklichkeit weder das eine noch das andere ist.
Was tut der SBB, um dem Ruf nach besserer Absicherung nachzukommen?
Wir als Vorstand versuchen realistische Ideen zu entwickeln, bei denen wir Chancen sehen, diese im Rahmen unserer Möglichkeiten umzusetzen. Hervorzuheben sind hier z.B. das Pilotprojekt und die Projektgruppe Dornröschenschlaf. Diese suchen nach selten gekletterten Routen, um diese mit nachträglichen Ringen oder anderen Maßnahmen attraktiver zu gestalten und wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Arbeitsgruppe für nachträgliche Ringe hat ihre Geschäftsordnung geändert und ist auf einem guten Weg, um in Zukunft effizienter zu arbeiten. Das sind nur ein paar Beispiele für viele weitere gute Ideen und Konzepte, die in den Arbeits- und Projektgruppen bearbeitet werden. Das sind alles kleine Schritte, die uns aber dem Ziel näher bringen.
Helfen diese Schritte einem Kletterer der sich fürchtet, sobald seine Füße auf Ringhöhe sind?
Der Wunsch nach einer besseren Absicherung hat ja die Ursache, dass man sich in diesen Routen unsicher fühlt. Eine bessere Absicherung kann man aber nicht nur durch mehr Ringe erreichen, sondern auch durch mehr Erfahrung und Können im Schlingen legen. Daher bin ich der Meinung, dass auch der Ausbau von Kursangeboten – Vorstiegskurse, Kurse zum Schlingen legen oder speziellen Klettertechniken – ein wichtiger Eckpfeiler zur Erhöhung der Sicherheit sind.
Besonders Routen im mittleren Grad sind oft schwierig abzusichern, da die Wände meist geneigt sind oder aller drei Meter einen großen Absatz, Bänder oder Schrofengelände haben. Dort müsste vor und nach jedem Absatz ein Ring stecken und der Kletterer würde sich trotzdem noch die Füße brechen.
Was spricht gegen einen großen Schritt in Richtung Sportklettern?
Ich denke, dass die Umfrage durch den SBB objektiv ausgewertet wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass der Erhalt der Tradition bei den Mitgliedern einen hohen Stellenwert einnimmt. Den Ruf nach besser gesicherten Routen, besonders in den mittleren Schwierigkeitsgraden, haben wir gehört und das Konzept zur Bergsportentwicklung hält dafür Antworten bereit.
Die aktuellen Rufe nach mehr modernen Einflüssen sollten in den Arbeitsgruppen und Versammlungen des SBB vorgetragen werden. Auch Nicht-SBB-Mitglieder können sich gern in den Arbeits- und Projektgruppen engagieren und somit aktiv die Zukunft des sächsischen Kletterns gestalten.
Im Lager der Sportkletterer wird der Tausch von bestimmten Klettergipfeln gegen neue Massive als eine mögliche Lösung diskutiert. An den Massiven könnten Sportkletterrouten eingerichtet werden und im Gegenzug bliebe das Klettern an den Gipfeln unberührt. Warum wird diese Variante im Konzept zur Bergsportentwicklung explizit ausgeschlossen?
Die Auswertung der Umfrage hat gezeigt, dass es unter den Kletterern keine Mehrheit für diese „Tauschgeschäfte“ gibt. Abgesehen davon wären diese mit der momentanen Gesetzeslage schlicht nicht möglich. Selbst wenn wir Kletterer uns auf einen Kompromissvorschlag – sprich den Tausch von bestimmten Gipfeln gegen einige Massivwände – einigen könnten, müssten wir immer noch den langen Weg durch alle Behörden antreten, um schlussendlich eine entsprechende Gesetzesänderung im Sächsischen Landtag anzustreben. Dafür braucht es einen sehr langen Atem und ich habe noch niemanden getroffen, der sich auch nur vorstellen könnte, sich dieser Herausforderung zu stellen. Und bei all diesen Überlegungen müssen wir auch stets bedenken, dass wir das deutschlandweit beinahe einmalige Privileg besitzen, überhaupt in einem Nationalpark klettern zu dürfen. Daher sollten derartig große Schritte und mögliche Konsequenzen gut überlegt sein. Aus diesen Gründen haben wir uns als Vorstand darauf verständigt, momentan keine Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Du sagst, dass die sich die Zukunft des Sächsischen Kletterns in den Arbeitsgruppen gestallten lässt. Sind diese Arbeitsgruppen gut besucht?
Jein. Bei Diskussionen hört man sehr oft nur die Extrempositionen. Entweder sehr traditionell oder sehr modern. Der „normale“ Gelegenheitskletterer, der ein paar Mal im Jahr im mittleren Schwierigkeitsbereich klettert, ist in den SBB Arbeitsgruppen kaum anzutreffen. Das ist sehr schade, da genau diese Gruppe die Mehrheit der sächsischen Kletterer darstellt. Und im Allgemeinen ist der Zuspruch für die Projektgruppen, wie z.B. die Projektgruppe Dornröschenschlaf, leider deutlich geringer, als ich gedacht hätte.
Das Gespräch führte Uwe Daniel
Neue Nordverschneidung: 16.04.1972 Bernd Arnold, G. Lamm, G. Fiesler – Links vom angelehnten Block in der Nordwand Wandstufe und seichten Riss zu Absatz. Feine überhängende Verschneidung (Ring) zu Band. Riss zum Gipfel.
Sebastian Brand über die Neue Nordverschneidung: Ich nahm an, einen gängigen und gut gesicherten Weg vorzufinden. Doch da lag ich falsch! Ich hätte es wissen können, da es sich schließlich um einen 74er Meisterweg von Bernd Arnold handelt. Gleich in den ersten Metern geht es heftig zur Sache: Der Riss ist enger als gedacht und nur sporadisch kann ich eine Schlinge unterbringen, die keine zwingend benötigte Klemmstelle verbaut. Doch die markante Verschneidung weiter oben entschädigt und wartet mit technisch schöner Kletterei auf. Am Ende dieser Verschneidung muss ich dann nochmal kräftig schlucken: Krass, was hier für den Grad verlangt wird! Ich erreiche zufrieden den Gipfel und sehe im Gipfelbuch, dass der Weg noch keine hundert Mal begangen wurde. Ich habe in der Neuen Nordverschneidung erneut festgestellt: Meisterwege haben immer etwas Besonderes, sie heben sich von den meisten anderen Wegen ab und genau deswegen klettere ich sie so gerne!
Altersschwäche: 02.11.1985 Uwe Horst u. Steffen Roßburg, Petra Hartmann, E. Ludwig, J. Lüttich, U. Lange, T. Viehrig, B. Schülke – Wie „TCA-Weg“ zu abschüssigem Band. Rechts queren und ausgiebig unterstützt Wand (Ring) zu Rissspur. Diese, später Riss zu großem Band. Wie „Neuer Talweg“ zum Gipfel.
Hermann Liebscher über die Altersschwäche: Auf die ausgiebige Unterstützungsstelle folgt – wie für die Zwillinge typisch – eine sowohl abwechslungsreiche als auch anspruchsvolle Risskletterei. Um das grifflose Wandstück bis zur Rissspur zu überbrücken entschieden wir uns eine Menschenpyramide, bestehend aus sieben Kletterern zu bauen. Ich war dann in der dritten und obersten Etage und erreichte erst nach mehreren Fehlversuchen den Fingerklemmer im Riss. Ohne dem Können, der Erfahrung und dem Willen der Gefährten wäre ich Baustellen-Anfänger nicht mit den Fingerspitzen an den Rissanfang über dem ersten Ring gekommen.
SO-Verschneidung: 22.05.1971 Bernd Arnold, G. Lamm, W. Nolte – 4 Meter links vom „Neuen Talweg“ Riss hinter Rippe (Ring) zu 2. Ring. Feine Verschneidung (3. Ring) bis unter Dach. Linkshaltend zu 4. Ring. Wand linkshaltend zu großem Band. Wie „Neuer Talweg“ zum Gipfel.
Felix Friedrich über die SO-Verschneidung: Voller Ehrfurcht stieg ich die Südostverschneidung im Jahr 2012 nach. Die Route ist anhaltend schwierig und abwechslungreich. Mein erster Eindruck im Nachstieg hat sich jetzt noch einmal im Vorstieg bestätigt: Ein sächsischer Erlebnisweg. Die gute Absicherung des Weges täuscht aber nicht darüber hinweg, dass man richtig zupacken muss: technisches Ausspreizen in der Verschneidung, Hand- und Faustrisse sowie anstrengendes Hangeln in der Crux sind obligatorisch. Purer Genuss!
In einer sächsischen Volkssage wird erzählt, dass die Barbarine eine versteinerte Jungfrau sei. Anstatt zur Kirche zu gehen, zog sie es vor, ihren Geliebten zu treffen. Die darüber erzürnte Mutter versteinerte ihre Tochter kurzerhand. Ob Frank und Vanessa das wissen? Noch dazu an einem Kirchensonntag?
Märchentürmerweg: 26.08.1951 Karlheinz Gonda, W. Müller, E. Unger – In Mitte der Talseite Riss auf großen Absatz. An der Südkante zu Loch. Links Handriss über Überhang zu Ring. Wand zuletzt linkshaltend zum Gipfel.
Stefan meint:
Vor mehr als fünf Jahren durfte ich diesen schönen Weg schon einmal Nachsteigen. Damals hatte ich meine liebe Mühe überhaupt hinauf zu kommen. Beinahe magisch, zumindest märchenhaft erschien mir die Tat meines Vorsteigers. Jetzt endlich hatte ich Gelegenheit den Weg einmal selbst am scharfen Ende zu klettern. Obschon damit eine Entmystifizierung des Märchentürmerweges einherging, freue ich mich, so einen herrlichen Weg klettern zu können!
Talweg: 21.09.1955 Dietrich Hasse, R. Weigand – Wie „Südwestwand“ zu Absatz links auf Platte. Wabenwand, anfangs rechtshaltend, dann gerade (Ring) zu Band. Vier Meter links queren und Wand (2. Ring) zu beginnendem Riss. Rechtshaltend zu Loch (3. Ring). Flache Mulde zu Vorgipfel (nachträglicher Ring). Wie „Südostwand“ zum Gipfel.
Jan-Hendrik meint:
Als ich vor elf Jahren mit dem Klettern anfing blickte ich staunend die Talseite am Höllenhund hinauf. Vielleicht würde ich dort einmal hinaufklettern. Jetzt endlich sollte es soweit sein. Der Talweg am Höllenhund strahlt für mich den Inbegriff des Kletterns aus. Eine hohe Wand, eine geile Linie, die entscheidenden Meter auf die eigenen Sicherungen, Fähigkeiten und den Fels vertrauend, ist dieser Weg sicherlich mehr als einfach nur Klettern. Es ist gut Träume zu haben und noch besser sich diese auch nach langen Jahren des Wartens erfüllen zu können.
Im Jahr 2013 führte der Sächsische Bergsteigerbund (SBB) eine Umfrage durch die in 28 Fragen ein weites Themenfeld abdeckte. Darunter auch die Frage ob und wie Klettertouren besser abgesichert werden sollten. Manch Außenstehender würde sagen, dass die Antwort „mit Bohrhaken“ lauten könnte aber so einfach ist es in der Sächsischen Schweiz nicht. Naturschutz, die Tradition des sächsischen Kletterns und ein Dutzend anderer Faktoren lassen die Frage kompliziert werden. Jedenfalls wurde die Umfrage durchgeführt, die Ergebnisse auf einem Zukunftskongress vorgestellt und mit einem Konzept zur Bergsportentwicklung auf eben diese Ergebnisse reagiert. Jetzt hat Falk Zedler dem SBB einen offenen Brief mit dem Titel „Umfrage durchgeführt – Ergebnisse ignoriert“ geschrieben und diesen mit einer online-Petition beflankt. Wer das jetzt alles nicht verstanden hat, hat alles richtig verstanden.
Um etwas Licht ins Dunkel zu bekommen treffe ich Falk Zedler zum Interview im Dresdner Alaunpark. Falk, geb. 1981, hat ein Kind, wirkt in der neuen Heidenauer Kletterhalle Yoyo mit und ist diplomierter Wirtschaftsingenieur.
Ich habe Deinen offenen Brief mehrfach gelesen und nicht verstanden was du eigentlich möchtest. Ganz kurz: Um was gehts?
Ich habe mir die Umfrageergebnisse genau angesehen und dabei ist mir eine riesige Diskrepanz zwischen dem Umfrageergebniss und dem Konzept zur Bergsportentwicklung aufgefallen. Die Umfrage dokumentiert eine breite Interessenverteilung unter den sächsischen Kletterern. Das Konzept des SBB wird dieser Interessenverteilung nicht gerecht.
Mein Ziel ist es, dass sich der SBB öffentlich dazu bekennt sich neutral hinsichtlich der unterschiedlichen Interessen zu verhalten. Das bedeutet, dass zeitnah Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Bislang ist der SBB eine Interessenvertretung der Traditionalisten. Der SBB sollte aber auch Sportkletterer vertreten.
Als Verein aller Kletterer muss er auch Angebote für alle Kletterer schaffen. Es ist genug Kletterfläche da, um sowohl traditionell als auch modern klettern zu können. Es sollte nicht einer alles haben – egal ob Sportkletterer oder Traditionalist.
Welche Möglichkeiten siehst du den Umfrageergebnissen neutral gerecht zu werden?
Man müsste sich für ein Prinzip entscheiden, was bei allen Fragen und bei allen unterschiedlichen Interessen gleichermaßen angewendet wird. Die für mich logischste Variante ist die Aufteilung. Zum Beispiel wünschen sich 37% der Umfrageteilnehmer die systematische Nachrüstung von Routen. Das war die radikalste Option. Man könnte also ca. ein Drittel der Kletterfläche systematisch nachrüsten.
Alternativ könnte man sich auch an absoluten Mehrheiten festhalten. Diese schwarz/weiss Variante wäre in meinen Augen nicht sinnvoll. Zumal die Interessen der meisten Kletterer irgendwo zwischen den Extremen liegen.
Warum gibt es auch noch eine Petition?
Um öffentlich Druck zu erzeugen. Der offene Brief besteht aus zwei Seiten Text. Da muss man sich hinsetzen und lesen und tief in die Zahlen einarbeiten. Dort sind die relevanten Argumente im Detail aufgeführt. In der Petition sind dann die Kernpunkte zusammengefasst welche sich in drei Minuten überblicken und anklicken lassen.
Siehst du Dich und Deine Petition richtig verstanden?
Ich finde es fast ein bisschen Schade, dass auch diejenigen, die meine Petition unterzeichnet haben, sagen, dass ich eine Petition für das Sportklettern gestartet habe. Das stimmt nicht! Die Petition fordert Neutralität des SBB. Es geht um das politische Funktionieren des Organs. Wenn der SBB die Regeln für alle sächsischen Kletterer diktieren darf, muss er auch demokratisch funktionieren.
Im SBB gibt es die Möglichkeit Anträge zu stellen und über diese in der Hauptversammlung abstimmen zu lassen. Warum wählst du nicht diesen etablierten Weg?
Ich habe in meinem Freundeskreis erlebt wie sich der eine oder andere im SBB engagiert hat und nach zwei Jahren entnervt aufgegeben hat. Es wäre nicht lösungsorientiert, wenn ich einen Antrag stellen würde der auf 37% der Kletterfläche die Einrichtung von Sportkletterrouten fordert. Das wollen ja offensichtlich nur 37% der Umfrageteilnehmer, d.h. der überwiegende Teil ist dagegen. Außerdem glaube ich, dass viele Leute nach so vielen Jahren Diskussion ohne Ergebnisse nicht mehr daran glauben, dass sich auf diesem Wege etwas ändert – und deshalb nicht zur Hauptversammlung kommen.
Bist du im SBB Mitglied?
Nein. Ich bin Sportkletterer und sehe mich durch den SBB nicht vertreten.
Für mich war immer klar, dass sich nichts verändern würde, wenn auch ich noch zum SBB gehe, um dort mitzudiskutieren. Hardcore-Traditionalisten wollen keine Kompromisse. Eine lösungsorientierte Diskussion ist da gar nicht möglich. Ich hoffe mit meinem offenen Brief und meiner Petition etwas bewirken zu können.
Wie stehst du zum Vorstand des SBB?
Im Falle des Konzepts zur Bergsportentwicklung hat der Vorstand einen Fehler gemacht. Deswegen richtet sich mein offener Brief auch direkt an den Vorstand. Die haben regelrecht ein falsches Ziel unterschrieben. Es unterscheidet sich eklatant von dem, was die Kletterer in der Umfrage geäußert haben. Ich glaube, dass der Vorstand vor allem die hört, die am lautesten Brüllen. Die Traditionalisten sind in den Organen des SBB überrepräsentiert und machen Druck. Zudem hat der Vorstand bei der Auswertung der Umfrage nicht genau genug hingesehen. Böser Wille ist es aber nicht.
In dem von Dir kritisierten Konzept zur Bergsportentwicklung wird von einem Pilotprojekt gesprochen was die systematische Nachrüstung überprüfen soll. Das lässt doch erkennen, dass der Wunsch nach besser gesicherten Wegen auch vom Vorstand erkannt wurde. Wie stehst du dazu?
Es gibt noch nichts Genaueres über den Umfang dieses Projektes zu lesen. Ich habe gehört, dass es sehr weit von den 37% der Gesamtkletterfläche entfernt ist. Im Gegenteil: Es ist die Rede von ein paar Gipfeln. Es ist auch nicht bekannt, ob dann im Rahmen dieses Projektes tatsächlich Routen entstehen, die „systematisch nachgerüstet“ bzw. sportklettermäßig abgesichert sind. Was soll dort getestet werden? Ob die Ringe auch halten wenn es mehr als 10 sind?
Es könnte doch sein, dass dieses Pilotprojekt genau das ist was du möchtest.
Ja. Kann sein, dass im Rahmen des Pilotprojektes Sportkletterrouten entstehen sollen. Genauer beschrieben ist das wie gesagt nicht. Bisher habe ich das Pilotprojekt so verstanden, dass es sich dabei um das gezielte Überprüfen von Routen nach nachträglichen Ringen handelt. Dabei wird in einem Gebiet ermittelt, welche Wege nicht geklettert werden, um dann diese Routen gezielt nachzurüsten. Die Intensität dieser Nachrüstung ist nicht bekannt. Bislang ist es ja so, dass in einem Weg mal zwei nachträgliche Ringe installiert werden. Wenn dieser Weg 60 Meter lang ist, dann ist das noch richtig weit weg von Sportklettern. Da werde ich nicht einsteigen. Auch in meinem Umfeld werden mir Wege als gut gesichert empfohlen, in die ich um Himmels Willen nicht einsteigen würde.
Auch die im Konzept angekündigten organisatorischen Verbesserungen in der AGnR beantworten nicht den Ruf nach besser gesicherten Wegen. Das Konzept sagt nichts darüber aus, inwieweit die Regelung zu nachträglichen Ringen verändert werden soll. Stünde da, dass die Regel bzw. die Bewilligungspraxis für nachträgliche Ringe verändert wird, wäre das etwas anderes. Wie sich die Arbeitsgemeinschaft intern organisiert und welche technischen Mittel zur Verfügung stehen ist für den Kletterer uninteressant.
Du bist König der Sächsischen Schweiz. Was würde sich verändern?
Persönlich favorisiere ich die Variante, dass Massive für die Form des modernen Kletterns geöffent werden und dort unter anderem Sportkletterrouten nach südspanischem Vorbild eingerichtet werden. Ich bin für eine klare Trennung vom traditionellen Klettern, was nach wie vor an den bestehenden Gipfeln stattfinden sollte.
37% sagen, dass sie eine systematische Nachrüstung wollen. Es ist nicht klar, wie dieses System aussehen soll. Ich verstehe es so, dass auch Sportkletterrouten entstehen: Nie Angst wegen der Sicherung haben müssen. Von mir aus können das auch nur 10% der Kletterfläche sein und die anderen 27% dann mit etwas weiteren Ringabständen.
Nochmal ganz klar: Ich wünsche mir das nicht für die gesamte Sächsische Schweiz. Ein Nebeneinander von traditionellem und modernen Klettern. Persönlich bin ich bereit, modern erschlossene Massive gegen Kletterfläche an den bestehenden Gipfeln einzutauschen. Natürlich sehe ich, dass dieser Tausch ins Fleisch der Traditionalisten schneidet. Deshalb: Sollen sie selbst entscheiden, welche Gipfel sie hergeben oder nachrüsten wollen. Vorrausgesetzt, es sind schöne Wege für alle dabei.
Was erhoffst du dir von deinem offenen Brief und deiner Petition?
Ich möchte, dass der SBB Vorstand sich hinstellt und den Fehler im Konzept zur Bergsportentwicklung öffentlich eingesteht. Ich möchte, dass die Neutralität zum erklärten Vereinsziel wird und in erster Konsequenz die Sportkletterer stärker berücksichtigt werden.
Mit diesem Vereinsziel können die Leute innerhalb des Vereins auch besser argumentieren. Dann müssen sich Traditionalisten und Sportkletterer diesem Ziel gemeinsam unterordnen und Lösungen erarbeiten. Der Traditionalist kann sich dann dem Kompromiss nicht weiterhin mit einem „das war schon immer so, das wollen wir nicht“ entziehen. Die Leute in den Arbeitsgruppen hätten dann eine Vorgabe, die es umzusetzen gilt. Der Vorstand muss dort seinen eigenen Leuten Druck machen. Unter solchen neutralen Zielvorgaben bin ich dann auch bereit, im SBB mitzuarbeiten.
Ziel der Umfrage war die Feststellung eines Meinungsbildes. Eine Veränderung bestehender Regelungen wurde im Vorfeld sogar explizit ausgeschlossen. Das Konzept zur Bergsportentwicklung ist somit eigentlich ein Bonus.
Der SBB weiß noch gar nicht was rauskommt – weiß aber schon, dass es nicht umgesetzt wird. Wenn du mich fragst, dann hat der SBB einfach Angst vor Veränderung. Aber nichts zu tun ist bei der bestehenden Interessenverteilung keine Option.
Ein traditioneller Kletterer träumt bestimmt schlecht von Dir.
Ich kann traditionelle Kletterer verstehen. Aber es ist doch nicht deren Gebirge. Ich kann mich nicht als Traditionalist hinstellen und für mich beanspruchen, die Regeln für alle bestimmen zu dürfen. Auf das Argument „wer hier nicht klettern möchte, soll doch in die Fränkische fahren“ will ich mich gar nicht einlassen. So ein Quatsch! Andere Richtung! Fahr Richtung Adersbach, dort hast Du traditionelles Klettern. In den Alpen, in Böhmen – überall gibt es traditionelles Klettern. Die oft gefeierte Einzigartigkeit des sächsischen Kletterns ist im Hinblick auf die Sicherungssituation überhaupt nicht gegeben.
Freifrage
Für mich ist der wichtigste Punkt, dass der SBB eine neutrale Position gegenüber allen Kletterern einnimmt. Auch Sportkletterer sollten durch den SBB vertreten werden. Der Sinn und Zweck des SBB sollte es sein, den Willen aller Kletterer umzusetzen. Die Korrektur des Konzeptes zur Bergsportentwicklung ist dabei sehr wichtig.
Bisher haben mich sowohl positive als auch negative Reaktionen erreicht. Von den traditionellen Stimmen war keine einzige dabei, die gesagt hat: „Ich bin ein traditioneller Kletterer, was du sagst gefällt mir nicht, aber du hast inhaltlich Recht.“ Keiner von denen hat eingestanden, dass es neben dem traditionellen Klettern auch Raum für modernes Klettern geben muss. Das ist enttäuschend. Dabei muss das Schubladendenken zwischen Tradition und Moderne überhaupt nicht sein. Ich habe nichts dagegen, dass neben mir jemand einen Riss klettert. Aber warum hat denn der, der den Riss klettert etwas dagegen, dass ich ’ne gute Sicherung haben möchte? Das macht überhaupt keinen Sinn. Wir wollen doch alle klettern gehen. Warum streiten wir uns rum wie die Blöden? Bei 18.000 Wegen? Wer soll denn das alles klettern?
Das Gespräch führte Uwe Daniel
Nachtrag vom 22. September 2015: Im SBB-Mitteilungsblatt antwortet der Vorstand des SBB unter der Überschrift Klicken oder Reden: „Im Internet wurden ein offener Brief und eine Petition an den SBB veröffentlicht. Der Autor versucht aus seiner eigenen Interpretation unserer Umfrage Forderungen an den SBB abzuleiten. Wir sind jedoch weiterhin davon überzeugt, dass die Weiterentwicklung unseres Bergsteigens nicht im Internet sondern in den Projektgruppen zur Bergsportentwicklung 2014-2017 diskutiert werden sollte und rufen hiermit erneut alle Kletterer – traditionelle und moderne – zur Mitarbeit auf.“ (MTB Q3 2015 S. 4)